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Interview mit Camilla Piso, Studentin der Elektronischen Musik und Sound Design


Annalena Schmied Wie kam es dazu, dass du dich für das Studium der Elektronischen Musik & Sound Design am VMI entschieden hast, und was hat dich an dieser Studienrichtung besonders gereizt?

"Ich war eigentlich schon immer Musik begeistert, habe gesungen bevor ich gesprochen habe, Gitarre und Klavier gelernt und viel zu früh zum Songs schreiben begonnen (was für alle Beteiligten sehr unangenehm war). Als ich 13 oder 14 Jahre alt war, habe ich von meinem Bruder eine FL Studio Lizenz bekommen und relativ schnell verstanden, dass ich noch gar nichts vom Musik machen verstehe – denn in der Arbeit mit DAWs konnte ich mich erst so richtig ausleben. Ich war mir sicher, dass ich nach der Schule Musik machen will, kam jedoch erst über meine Eltern auf die Idee, das auch zu studieren. Ich wollte nicht Gesang studieren, weil mir das zu langweilig gewesen wäre, Tontechnik oder Musikproduktion hatte ich nicht für logisch empfunden, da sich die Welt des analogen Equipments und professionellen Studios leider immer noch zu selten mit meiner eigenen kreuzt. Als ich auf das Elektronische Musik und Sound Design-Studium gestoßen bin, war es so, als wäre das alles auf mich zugeschnitten. Ich kann rund um die Uhr in meiner DAW hängen, Musik machen und Sound Design verstehen lernen – etwas das ich damals noch gar nicht am Schirm hatte, was jetzt aber eine meiner größten Leidenschaften ist."

Welche Rolle spielen deiner Meinung nach Elektronische Musik/Sound Design in der heutigen Musiklandschaft, und wie beeinflusst das deine eigene künstlerische Arbeit?

"Ob Chartmusik oder der nischigste Underground: Sound Design und Elektronische Musik hat sich in jeglicher Musik manifestiert und ist nicht mehr wegzudenken. Genauso wie die ältesten Musikgenres oder für viele Hörer*innen am weitesten von elektronischer Musik entfernten Stile die Entstehung der neuen Musik geprägt haben, prägen elektronische Genres genauso die restliche Musikwelt. Diese Wechselwirkung ist extrem spannend und ich bin wirklich interessiert wie sich unsere Klangwelt in den nächsten Jahren entwickeln wird. Meine eigene Kunst ist in ihrer Essenz elektronische Musik – ich habe mich mittlerweile auch mit dem Begriff der experimentellen Popmusik abgefunden, die halt manchmal Richtung House und öfters Mal Richtung Techno abdriftet. Ich mag es, mich mit meinem Sound Design und meiner Musik ausdrücken und verlieren zu können, da ist es mir relativ egal, in welches Genre ich formell klassifiziert werde."

Wie integrierst du deine Fähigkeiten im Bereich des Sound Designs in deine eigenen musikalischen Projekte, insbesondere beim Singen und Schreiben deiner Songs?

"Ich integriere Sound Design nicht in meine musikalischen Projekte, viel mehr entstehen meine Projekte aus meinen Sounds. Ich finde Klänge oft viel inspirierender und ausdruckstärker als Worte. Tatsächlich hat sich mein Songwriting generell über mein Studium hinweg ziemlich verändert. Zuvor war ich immer sehr in Popstrukturen und Normen gefangen. Jetzt mach ich einfach das, was sich richtig anfühlt."

Welche Projekte oder Arbeiten hast du während deines Studiums durchgeführt, die besonders herausfordernd oder inspirierend waren?

Ich würde sagen, die herausforderndsten Momente habe ich in meinem ersten Studienjahr erlebt, da ich noch sehr zurückhaltend beim Teilen meiner Kunst war. Es hat mich immer sehr viel Überwindung gekostet, meine Projekte vor den Anderen zu präsentieren. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich das alles scheinbar gar nicht so schlecht mache und habe vor allem auch bei Kollaborationen mit Studienkolleg*innen außerhalb des universitären Rahmens extrem viel gelernt. Die Uniaufgaben, die mich am bedeutendsten in meinem Produktionsstil geprägt haben, waren die, die wir für Klanggestaltung in der elektronischen Musik mit Sixtus Preiss erledigen sollten. Ich habe so viele neue Seiten von meinen eigenen Fähigkeiten und den Fähigkeiten meiner Studienkolleg*innen kennengelernt. Auch meinem Verständnis für (meine eigene) Kunst und elektronischer Musik und meiner eigenen künstlerischen Identität bin ich durch Sixtus‘ Lehrveranstaltung ein Stück nähergekommen. Auch Klanggestaltung in Film, Medien und TV hat mir eine neue Welt eröffnet. In den Projekten konnte ich endlich alle Sounddesignimpulse ausleben, die in meinen eigenen Produktionen noch keinen Platz gefunden haben. Auch House of Europe hat mich extrem in meinen Fähigkeiten gepusht. In den wenigen Stunden, die wir vormittags immer hatten, bevor wir mittags Feedback erhalten haben, habe ich an zwei von drei Tagen mit meinen Gruppen beschlossen, Songs zu produzieren. In 3-4 Stunden Ideen von vier Künstler*innen zu vereinen, Sounds zu erstellen und mit meinem eigenen perfektionistischen Ego was meine Produktionen angeht, klarzukommen, war gar nicht so einfach. Die Erfahrung hat mir jedoch bestätigt, dass ich ziemlich gut unter Zeitdruck arbeiten kann und mir einmal mehr gezeigt, dass wir als Sound Designer*innen und elektronische Musiker*innen unsere Laptops und DAWs, wie jede andere Instrumentalist*innen zum Improvisieren nutzen können."

Du wirst bereits im Juni dein Studium nach sechs Semestern abschließen. Bitte erzähle uns etwas über deine Abschlussarbeit. Mit welchen Themen befasst du dich darin?

"Mein Diplomarbeitsthema lautet „FLINTA* in der österreichischen House-, Techno- und alternativen elektronischen Popmusikszene: Signifikanz, Einfluss und Arbeitsweisen von Künstler*innen in Österreich“. Als nicht-binäre (she/they) Künstler*in in der elektronischen Musikszene, fällt einem schnell auf, dass diese (Musik)Welt immer noch sehr cis-männlich geprägt ist. Ich habe immer schon ein großes Interesse gehabt, Kunst und Politik zu vereinen und wollte mich mehr über die Geschichte und tatsächlichen Fakten informieren. Im Rahmen meiner Arbeit befasse ich mich daher mit den historischen Hintergründen der elektronischen Musik, der (undokumentierten und vergessenen) Rolle die FLINTA* darin gespielt haben und analysiere die österreichische Szene ein bisschen genauer, da es dazu fast keine akademische Literatur gibt."

Welche Ziele und Pläne hast du für deine Zukunft als Musikerin und Absolventin des VMI, und wie hoffst du, deine Fähigkeiten im Bereich Elektronische Musik & Sound Design weiterhin einzusetzen?

"Ich bin Teil des Wiener Kollektivs Initiative 21, performe meine eigenen Produktionen in Live Sets und würde mich so als aktives Mitglied der Wiener Szene einstufen. Des weiteren bin ich seit kurzem Mitglied von Hannah Gratz aka kleinabaoho’s Band und darf hier selbst designte Sounds live bei Konzerten umsetzen. Ich habe definitiv keinen “10-Jahresplan“ – ist schon schwierig genug zu wissen, wann ich morgen an der Uni sein muss; ich wünsche mir aber, die Freude am Sound Design mit anderen Menschen teilen und mich selbst weiter kreativ ausleben zu können, ob als eigenständige Künstler*in, Sound Designer*in, Mitwirkende im Hintergrund oder Kombination aus all dem – ich will einfach weiterhin mit Kunst umgeben sein."

Vielen Dank für das spannende Interview!

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